Deutschland

6. Etappe: Rüdesheim – Kaub

Gelaufen: 23,9 km (Gesamt 138,5 km)

Heute Morgen hatte ich das genialste Frühstück seit langem und auch sonst fühlte ich mich so gut umsorgt, dass ich nochmal namentlich erwähnen möchte: Vielen, vielen Dank an das Weinhaus Endlich! Die Gästezimmer sind zwar nicht luxuriös oder übermäßig modern, aber die Atmosphäre wiegt das doppelt wieder auf. Der Besitzer Jochen ist so offen und herzlich, sodass man sich sofort willkommen und irgendwie daheim fühlt. Man spürt wirklich, dass dieses Gasthaus mit sehr viel Herzblut und Leidenschaft geführt wird. Auch Sonderwünsche bleiben nicht unerfüllt und man fühlt sich hier einfach nur sehr gut aufgehoben. Wenn ihr also jemals eine Bleibe in Rüdesheim sucht, und euch familiäre Atmosphäre wichtiger ist als Luxus, kann ich euch das Weinhaus Endlich nur wärmstens empfehlen!

Allein die Auswahl an Obst und Gemüse beim Frühstücksbuffett inklusive frischer Erdbeeren hat mich richtig begeistert.

Nachdem mir Jochen beim Abschied erklärt hat, wie ich am schnellsten zum Niederwalddenkmal und somit auch auf den Rheinsteig komme, bin ich guter Dinge aufgebrochen. Doch das erste, was mich absolut schockierte: Rüdesheim war wie leergefegt. Normalerweise ist dieser Ort ein summender Touristenmagnet und allein die bekannte Drosselgasse zieht im Jahr drei Millionen Besucher an. Doch der Unterschied zwischen einem Samstagabend (also gestern) und dem Sonntagmorgen ist wie Tag und Nacht. Wo sich gestern noch bis spät in die Nacht dies Menschenmassen durch die Straßen geschoben haben, herrschte heute gähnende Leere.

Wo die letzten Häuser aufhörten, begann auch schon mein Aufstieg durch die Weinberge. Das Wetter war leicht bewölkt und so hatte ich zumindest von dieser Seite Rückendeckung. Das bedeutete aber nicht, dass der Aufstieg nicht trotzdem anstrengend und kräftezehrend war. An diesem Berg bin ich zum ersten Mal auf meiner bisherigen Reise an meine sportlichen Grenzen gekommen und ich musste die ein oder andere Pause einlegen, damit mein Puls nicht durch die Decke schoss. Aber trotzdem bin ich langsam aber sicher oben angekommen und konnte den herrlichen Ausblick genießen. Vor allem, da auch hier die normalerweise gut besuchten Sehenswürdigkeiten menschenleer waren. Ich war heute wohl die Erste hier.

Vom Niederwaldtempel aus hat man eine wundervolle Aussicht auf Rüdesheim und den Rhein.
Das Niederwalddenkmal thront hoch auf dem Berg und ist bereits aus weiter Entfernung zu erkennen.

Schnell orientierte ich mich nach dem Rheinsteig, da hier kein Jakobsweg ausgeschildert war (und nach Norden sowie nicht). Der Rheinsteig sollte mich zuverlässig zu meinem nächsten Etappenziel führen und da ich mit dem Aufstieg durch die Weinberge das Schlimmste schon hinter mich gebracht hatte – dachte ich – war ich zunächst relativ optimistisch.

Dies waren die Markierungen, nach denen ich mich die kommenden zwei Tage richten würde.

Der ausgeschilderte Wanderweg ließ sich wirklich gut laufen. Allerdings wurde ich stutzig, als der Weg nach einer Kreuzung wieder steil bergab führte. Ein rascher Blick auf meine Karte auf dem Smartphone gab mir schließlich des Rätels Lösung: Der Rheinsteig geht zwar entlang der Gebirgskämme, allerdings führt er auch in jedes kleine Dorf, das am Rheinufer liegt. Im Klartext bedeutet das, ich hätte an jeder Ortschaft einen Abstieg bis zum Rhein gehabt, nur um all diese Höhenmeter wieder hochzuklettern. Das war mir aber ehrlich gesagt etwas zu blöd. Deshalb habe ich kurzerhand etwas ungeplant und mit Hilfe von online Karten eine eigene Route zurecht gelegt.

Zu Beginn war der Rheinsteig noch sehr einladend.

Das wirkte zunächst nach einer guten Idee. Bis einer der eingeschlagenen Wege plötzlich mitten im Wald endete. Also laut Karte war er zwar da, aber in der Praxis war nicht mehr viel von dem Weg zu sehen. Dennoch habe ich beschlossen, die Route weiterzuverfolgen, da das Gelände sehr überschaubar und der Wald relativ licht und eben war. Und tatsächlich bin ich mit Unterstützung meiner Wanderstöcke gut vorangekommen. Die einzigen Nachteile waren, dass ich wohl den halben Wald in meinen Schuhen mitgenommen und dass das Dutzend Rehe, die panisch vor mir davongerannt sind, eventuell einen kleinen Schock erlitten haben.

Mit etwas Phantasie konnte man sich noch vorstellen, wo der ehemalige Weg entlangging.

Endlich wieder auf einem deutlich erkennbaren Weg angekommen, gab es wieder etwas Positives. Ich kam auf einen Feldweg, der durch Raps- und Getreidefelder führte und sofort erinnerte es mich an die Berge meiner Kindheit und Jugend. Und erst dann wurde mir auch wieder bewusst: Diese Berge gehörten doch zum Taunus! Dann war es auch kein Wunder, dass sie auch so aussahen und sich vor allem anfühlten wie der Taunus.

So fühlt es sich nach Taunus an. Hügel, Felder, Wald und in der Sonne die Füße hochlegen.

Doch irgendwann war der Zauber wieder vorbei und ich begab mich ins nächste Waldstück. Da ich immer noch der eigenen alternativen Route auf dem Smartphone folgte, nahm ich mir diesmal vor, nur auf den größeren Wegen zu bleiben und keine Querfeldein-Touren mehr zu unternehmen. Aber da passierte auch schon die nächste Panne. An einer Kreuzung blickte ich extra nochmal auf die Karte, nur um dann trotzdem falsch abzubiegen. Dieser Fehler fiel mir allerdings erst relativ spät auf. Wegtechnisch war es nicht so dramatisch, da es sich gut laufen ließ, aber dennoch hatte ich damit einen unnötigen Umweg eingefädelt. Der Vorteil wenn man so alleine im Wald ist: Man kann schimpfen wie ein Rohrspatz und seinem ganzen Ärger Luft machen, ohne dass es irgendwer mitbekommt.

Als ich auch dieses Waldstück hinter mir gelassen hatte, stieß ich endlich wieder auf den Rheinsteig, der nun halbwegs meinem Gusto entsprach. So musste ich mir zumindest keine Gedanken mehr um die Wegfindung machen und konnte stupide vor mich hin laufen. Der Weg führte schließlich durch den Teufelskadrich, ein Gebiet, das früh durch Forstwirtschaft und Tagebau geprägt wurde und heute ein Naturschutzgebiet ist. Mir sind vor allem die Unmengen an Hornissen aufgefallen, die dort Überfall umhergeschwirrt sind. Und um eines klar zu stellen: Ich mag Hornissen sehr gern und finde, dass sie wunderschöne Tiere sind. Deshalb hat mich der Anblick sehr entzückt.

Vom Teufelskadrich aus hat man wieder einen weiten Blick über den Rhein.

Und dann begann auch schon der Abstieg nach Lorch. Hier bin ich dann erneut vom Rheinsteig abgewichen, weil dieser laut Karte noch einen Bogen gemacht hätte, gefolgt von einem sehr steilen Abstieg. Meinen Knien zuliebe habe ich mich für einen Weg durch die Weinberge mit kontinuierlichem leichten Gefälle entschieden. Und ich denke, es war eine gute Entscheidung. Ich habe noch einige schöne Ausblicke über den Rhein genießen und Bekanntschaft mit einer Schlingnatter machen dürfen, die sich auf dem Weg gesonnt hatte.

Den Alternativweg durch die Weinberge habe ich definitiv nicht bereut. Er war gut für die Knie und hatte dennoch eine schöne Aussicht. Was will man mehr?

In Lorch habe ich mir eine Pause zum Essen und Trinken erlaubt, da der bisherige Weg gut an die Reserven gegangen ist. Und wieder habe ich mich dagegen entschieden, zurück auf den Rheinsteig zu klettern, sonder bin das letzte Stück über die Rheinpromenade gelaufen. Immerhin war die Strecke am Rhein auch weniger als halb so lang wie die Strecke über den Berg. Und ich hatte auch wirklich keine Motivation mehr. Die heutige Etappe war so eine nervliche Achterbahnfahrt und auch physisch anstrengend gewesen, dass ich einfach nicht mehr wollte. Ich habe mein letztes Motivations-Ass aus dem Ärmel gezogen und die restlichen Kilometer auf er Promenade mit energiegeladener Heavy-Metal-Musik auf den Ohren durchgepowert, bis ich schließlich in Kaub angekommen bin. Vollkommen fertig.

Vor meinem Zielort Kaub liegt mitten im Rhein die Burg Pfalzgrafenstein. Sie gehört definitiv zu meinen Lieblingsburgen in Deutschland!

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