Deutschland

14. Etappe: Monzel – Ensch

Gelaufen: 20,6 km (Gesamt: 296,9 km)

Rückblickend erinnere ich mich an nicht besonders viel von der heutigen Etappe. Der Großteil der Landschaft, die an mir vorbei gezogen ist, war schon relativ gewohnt und vergleichbar mit dem, was ich die letzte knappe Woche bereits ausgiebig erkunden durfte. Und so kam es, dass ich die meiste Zeit eher in meinen eigenen Gedanken unterwegs war und zeitweise sehr angeregte Selbstgespräche geführt habe. Aber eins nach dem anderen.

Mein Tag begann wieder mit einer ordentlichen Portion Lethargie und Antriebslosigkeit, was grob verallgemeinert zwei Gründe hatte: 1. Als mein Wecker klingelte, hörte ich bereits die dicken, fetten Regentropfen in Massen an mein Fenster klatschen. Hand aufs Herz – bei solch einem Wetter hat bestimmt niemand richtige Lust zu wandern. 2. Gestern erst realisierte ich ein riesiges Problem, vor dem ich stand. Und das nannte sich Christi Himmelfahrt. Das hatte ich bei meiner Planung vollkommen vergessen und hatte nun Schwierigkeiten, Unterkünfte für diese Zeit zu finden, da vieles bereits ausgebucht war. Entsprechend schlecht gelaunt war ich.

Der Jakobsweg führte mich erneut als erstes einen Berg hoch – was mich in sofern wunderte, dass ich gestern noch annahm, dass sich Monzel ja bereits auf dem Berg befand. Aber anscheinend gab es für die gelben Muscheln immer noch einen höheren Berg, auf den man ahnungslose Pilger scheuchen konnte. Immerhin ließ bereits der Regen nach und verkam schließlich zu einem feinen Nieselregen, sodass man wenigstens noch etwas die Aussicht genießen konnte.

Der Blick zurück auf Monzel.

Wieder über Wiesen und durch Wälder wandernd wurde ich erst wieder aus meinen Gedanken gerissen, als ich an eine kleine Schutzhütte in Form einer Kapelle kam. Derartige Gebäude trifft man immer wieder auf dem Jakobsweg und ich habe sie mittlerweile lieb gewonnen. Nicht nur, dass sie ein Dach und manchmal sogar einen Sitzplatz boten, beinhalteten viele von ihnen auch kleine Schätze. In einigen Kapellen habe ich bereits Pilgerstempel gefunden, in anderen Gästebücher, in denen sich Pilger und Wanderer verewigt haben. Auf jeden Fall lohnt es sich immer, wenigstens einen kleinen Blick reinzuwerfen.

Nachdem auch ich eine kleine Notiz im Hüttenbuch hinterlassen habe, ging es weiter über weitere Wiesen in den Ort Klausen hinab. Klausen hat eine eigene Wallfahrtskirche und gilt sogar als größter Marienwallfahrtsort des Bistum Trier. Zudem stößt in Klausen von Norden her der Eifel-Camino auf den Mosel-Camino, sodass die zwei Jakobswege ab hier eine gemeinsame Route nach Trier teilen.

Die Wallfahrtskirche “Maria Heimsuchung” in Klausen.

Selbstverständlich holte ich mir in der Wallfahrtskirche einen Stempel ab und begab mich weiter auf meinen Weg durch – ihr ahnt es schon – Wiesen und Wälder. Durch die vertraute Umgebung verfiel ich schnell wieder in mein meditatives Laufen und setzte einen Fuß vor den anderen, ohne wirklich darüber nachzudenken. Doch ein schöner Aussichtspunkt am Gipfel des Berges holte mich in die Realität zurück. Beim Anblick der Picknick-Bank vor dem Panorama fiel mir auf, dass ich heute noch keine richtige Pause gemacht hatte und so beschloss ich, das augenblicklich nachzuholen. Mittlerweile war sogar die Sonne wieder hervorgekommen und es tat gut, einen Moment die Schuhe auszuziehen. So ließ sich der Augenblick wirklich genießen. Aber nicht zu lange, denn trotz Sonne wehte ein eisiger Wind, der mich schließlich doch wieder zum Aufbruch zwang.

Auf diesem Gipfel habe ich definitiv einen der bisher schönsten Pausenorte gefunden.

Nur einen Steinwurf hinter dem Aussichtsplatz stieß ich auf die nächste Kapelle. Diese war allerdings sehr prunkvoll und aufwändig geschmückt im Vergleich zu anderen Kapellen. Und natürlich musste ich auch hier einige Zeilen im Hüttenbuch hinterlassen. Was mich aber am meisten verwunderte war ein Wegweiser, der angab, dass ich noch 2239 km vor mir hätte. Dabei habe ich bereits zu Beginn meiner Reise vor Mainz einen ähnlichen Wegweiser gesehen, der behauptete, es wären nur 1888 km nach Santiago. Aber letztendlich denke ich, dass niemand so genau sagen kann, wie lang der Jakobsweg ab einem gewissen Punkt noch ist. Ich werde einfach weiter meinen Weg gehen und hoffentlich am Ende Dank des GPS-Trackings erfahren, wie viele Kilometer ich persönlich von der Haustür nach Santiago gelaufen bin.

Hinter der Kapelle folgte ich den Muscheln noch eine Weile durch den Wald, ehe ich wieder massenweise Weinreben erblickte. Der Weg schlängelte sich durch die Weinberge hinab, direkt in das Örtchen Klüsserath, wo ich mir in der ansässigen Kirche meinen letzten Stempel für heute holte. Dann ging es nur noch die letzten Kilometer an der Mosel entlang, bis ich in Ensch ankam und endlich auch in meine Unterkunft einkehren durfte.

Bei dem Abstieg nach Klüsserath ergibt sich nochmal eine schöne Gelegenheit, die Gegend zu bestaunen.

Heute ist mir im Laufe des Tages richtig bewusst geworden, wie sehr sich mein Körper schon an das Pilgern gewöhnt hat. Ich habe abends sogut wie keine Gelenkschmerzen mehr (außer nach Extremsituationen), das Gewicht von meinen Rucksack nehme ich gar nicht mehr wahr, meine Füße tun beim Laufen nicht mehr so höllisch weh und meine eigentliche Laufgrenze wird nicht mehr von meinem Körper, sondern von meinem Kopf festgelegt. Oft könnte ich rein körperlich noch viel länger und weiter laufen, aber irgendwann im Laufe des Tages meldet sich der Kopf quengelnd von der Rückbank: “Sind wir schon daaa? Wie lange noch? Ist es noch weit?” Da habe ich wohl noch eine ordentliche Portion Erziehungsarbeit zu leisten.

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert