Frankreich

29. Etappe: Château-Porcien – Bazancourt

Gelaufen: 24,2 km (Gesamt: 578,3 km)

Der Morgen begann ganz entspant, da auch die anderen Pilger die Ruhe weg hatten. Kein Stress, keine Hektik, kein übereiltes Zusammenpacken und Losrennen, wie ich es manchmal auf dem Jakobsweg in Spanien beobachten konnte. Teilweise waren mir die anderen Pilger sogar zu entspannt.

Aber das sollte mich nicht davon abhalten, nach meinem eigenen Rhythmus zu gehen und eher früh aufzubrechen. Gerade wenn die Tage immer heißer werden würden, bevorzugte ich es, in den frischeren Morgenstunden zu laufen.

Die Kirche Saint-Thibault von Château-Porcien im ersten Tageslicht.

Gleich zu Beginn der Etappe schaffte ich es, mich zu verlaufen, aber das war nicht weiter schlimm, da ich ohne zurückzulaufen wieder auf den Jakobsweg aufschließen konnte. Ich wurde für meinen kleinen Umweg sogar noch mit einem netten Blick auf ein riesiges Mohnfeld belohnt, das immer wieder zwischen den Baumkronen auf dem benachbarten Hügel zu sehen war.

In der Ferne konnte ich das rote Schillern eines Mohnfeldes erkennen.

Als ich als nächstes auch noch besagten Hügel erklimmen durfte, konnte ich die ausgedehnten Mohnfelder aus der Nähe bewundern. Und noch dazu den netten Ausblick, den man von hier oben aus hatte. Bei genauem Hinsehen konnte ich sogar die nächsten Pilger ausmachen, die offensichtlich nach mir aufgebrochen waren.

Romantisch roter Mohn so weit das Auge schauen konnte.
Wimmelbildsuche: Wer findet die zwei Pilger?

Doch so schön es auf dem Hügel auch war, ab dort wurde es wieder Ernst. Der Jakobsweg führte für mehrere Kilometer an einer Straße entlang, die sich wieder mal durch schattenfreie Getreidefelder schlängelte. Und zu allem Überfluss ließen sich auch heute keine Wolken blicken, sodass die Sonne mit fortschreitender Uhrzeit immer ungemütlicher wurde. Durch Gesang konnte ich mich diesmal auch nicht mehr ablenken, da die anderen Pilger durch meine viele Fotografiererei wieder gut aufgeholt haben und mir nun auf den Fersen waren.

Der Anblick von weiten Feldern ohne Schatten und scheinbar endlosem Asphalt hat in mir nicht gerade die größte Freude ausgelöst.

Erst im nächsten Dorf konnten wir dem Sommer etwas entrinnen und haben in der Dorfkirche ausgiebige Pause gemacht. Gerade in der Hitze war es ein richtiger Segen, dass diese uralten Kirchen immer so kühl waren.

Einsame, kleine Dorfkirchen waren sehr oft die perfekten Pausenorte.

Wieder etwas zu Kräften gekommen wollten wir aufbrechen, als wir vor der Kirche plötzlich von einer Anwohnerin eine Einladung zum Kaffee bekommen haben. Da die Niederländerin sich schnell als Kaffee-Junkie entpuppte, konnte sie auch nicht Nein sagen, aber ich wollte gerne weiterkommen. Daher trennten sich unsere Wege fürs Erste.

So befand ich mich wieder alleine zwischen den vielen Getreidefeldern und hätte die Zeit gerne erneut zum Singen genutzt, aber die Luft war so staubig, dass jeder Atemzug zu viel war. Nicht nur, dass es durch das Wetter sowieso schon viel zu trocken war, stand aktuell anscheinend auch noch die erste Heuernte in der Gegend an. Viele Bauern wälzten das trockene Gras auf den Wiesen um, und brachten die kleinsten Heupartikel in die Luft, während die Reifen der Traktoren ohnehin schon Staub vom ausgetrockneten Boden aufwirbelten. Unter solchen Umständen musste man wirklich keine Pollenallergie haben, damit die Augen konstant brannten und tränten.

Anhand der Staubwolken konnte man immer sehr gut die aktuelle Position des nächsten Landwirts feststellen.

Umso glücklicher war ich, als ich das nächste kleine Dorf erreichte, in dem ich meine Augen, Lungen und Füße etwas erholen konnte. Die Kirche war zwar verschlossen, aber es gab eine schattige Pilger-Pausenbank, wo ich mich zusätzlich der Sonne entziehen konnte. Dort gesellte sich auch bald eine der Belgierinnen zu mir und nach einer gesprächigen Erholungspause machten wir uns gemeinsam auf den letzten Wegabschnitt. Wie auch zuvor verlief der Jakobsweg weiter über sanfte Hügel mit Getreidefeldern, die kaum Platz für Schatten ließen. So mussten wir jeden einzelnen Baum aktiv zum Runterkühlen nutzen, um in dieser gnadenlosen Sommerhitze nicht einzugehen.

Mit einer schattigen Bank kann man Pilger sehr glücklich machen.
Dank meiner Weggefährtin gab es endlich auch Mal wieder Fotos von mir beim Laufen.
Jeder noch so kleine Schatten wollte ausgiebig genutzt werden.

Zwischen zwei Äckern überquerten wir die Departement-Grenze, die ich ohne meinen Wanderführer gekonnt ignoriert hätte, und erblickten endlich in der Ferne unseren Zielort Bazancourt. Und was soll ich sagen? Schön war anders.

Endlich offenbarte sich unser Ziel: Bazancourt.

Auf ersten Blick sah Bazancourt vor allem nach Industrie aus. Zwischen den vielen Feldern ragten vor allem große rauchende Schornsteine in die Höhe und auch das restliche Industriegebiet und die Hochhäuser zogen alle Aufmerksamkeit auf sich. Das machte mir natürlich riesige Vorfreude auf die Stadt… Aber immerhin könnte ich diesem gefühlten Backofen entrinnen und meinen wohlverdienten Feierabend genießen. So begleitete ich die Belgierin noch bis zum Rathaus, da ich mir dort meinen Stempel besorgen konnte, während meine Begleitung dort die Schlüssel für die Pilgerherberge abholen wollte. Dort angekommen erfuhren wir auch, dass es noch freie Betten gab, obwohl mir im Vorfeld am Telefon gesagt wurde, dass schon alles belegt war. Da ich aber bereits eine Reservierung in einer nahegelegenen Unterkunft hatte, wollte ich meine Planung nicht nochmal auf den Kopf stellen.

Als ich später im Supermarkt wieder auf die zwei Niederländer traf, stellte sich heraus, dass ich eine gute Entscheidung getroffen hatte. Sie kamen aus dem Schimpfen und Meckern gar nicht mehr raus, wie mangelhaft die Pilgerherberge doch war. Was war ich plötzlich froh, dass meine Unterkunft wenigstens Kaffee hatte.

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