Deutschland

1. Etappe: Dreieich – Frankfurt a.M.

Gelaufen: 23,3 km

Ich kann den heutigen Tagesstart nicht anders beschreiben als seltsam. Natürlich habe ich mich schon lange auf dieses Abenteuer gefreut und diesem Tag entgegen gefiebert. Aber jetzt, wo der Tag des Aufbruchs gekommen war, fühlte sich alles komisch an. Es war anders als bei meinem letzten Jakobsweg, als ich mit dem Flugzeug nach Spanien geflogen bin und wusste: “Jetzt geht’s los!”

Diesmal begann mein Jakobsweg wirklich vor der Haustür und die gewohnte Umgebung und die gewohnten Wege machten es einem schwer, das auch zu realisieren. Wo liegt der Unterschied, ob ich nur zum Supermarkt laufe oder ob ich jetzt wirklich nach Santiago pilger?

Der Rad- und Fußweg zwischen Feldern und Bahngleisen.

Und so setzte ich einen Fuß vor den anderen, durch bekannte Straßen und entlang der Bahngleise Richtung Nachbarort. Noch einen kleinen Schlenker über einen Trampelpfad und Streuobstwiesen und schon erstreckte sich Dreieichenhain mit seiner wunderschönen Altstadt vor mir. Zwar auch nichts Unbekanntes, aber ich habe sie noch nicht zu oft gesehen, sodass mich die bunten, verwinkelten Fachwerkhäuser immer noch faszinieren. Zudem befand ich mich endlich auf dem Europäischen Fernwanderweg E1 und konnte so mein Kartenmaterial wegpacken und nur noch nach Wegmarkierungen laufen.

Das historische Tor, das Zutritt zur kleinen, aber feinen Altstadt von Dreieichenhain erlaubt.

So führte mich der Weg durch die süßen Gässchen der bunten Altstadt. Vorbei an der “Burg Hayn” (die mehr Burgruine ist), ging es auch schon auf die nächste Anhöhe hoch. Für gewöhnlich erhält man hier zwischen Pferden, Getreidefeldern und der künstlerischen Stangenpyramide einen guten Ausblick auf die Frankfurter Skyline, aber heute war das Wetter wohl dagegen. Den ganzen Tag haben mich immer wieder dichte Wolken begleitet, aber zum Glück blieb mir der Regen erspart.

Die Stangenpyramide, in deren Mitte man bei schönem Wetter einige Wolkenkratzer erblicken kann.
Für wenige wundervolle Augenblicke hat sich sogar die Sonne gezeigt.

Nachdem ich hinter Dreieichenhain den Golfplatz passiert hatte, ging es auch schon in ein nicht enden wollendes, monotones Waldstück. Dieser Weg zog sich wirklich wie Kaugummi und bei der zunehmend einsetzenden Langweile machten sich schnell die schmerzenden Füße bemerkbar. Ich wusste zwar, dass ich etwas mehr Gepäck dabei hatte und ich wusste sehr gut, dass ich über die Pandemie viel zu viel zugenommen hatte – aber die Fußsohlen rächten sich nun umso mehr für jedes Gramm.

Kerzengerade Waldwege wie mit dem Lineal gezogen – Spannung pur! (Nicht…)

Immerhin war in dieser Situation endlich mein Kopf im Pilgermodus angekommen und hat meinen Füßen den Kampf angesagt. Wie hieß es auf dem spanischen Jakobsweg doch so oft? No pain, no glory! Oder zu deutsch: Ohne Schmerzen keine Ehre. (Also die krasse Version von “Ohne Fleiß, kein Preis.”)

Und natürlich Kilometer um Kilometer der selbe schnurgerade Waldweg…

Und mit dieser Kampfansage im Hinterkopf bin ich über die Schmerzen drübergelaufen (ebenfalls eine häufige Floskel auf dem Camino.) Durch den Wald, vorbei an dutzenden tobenden Eichhörnchen, über die viel befahrene Autobahn A3 und hinein in den Frankfurter Stadtwald. Dort noch schnell den unzähligen Rehen “Hallo” gesagt, die sich gefühlt von nichts und niemandem aus der Ruhe bringen lassen und endlich, endlich war mit dem Frankfurter Stadtgebiet das Ende der heutigen Etappe in Sicht.

Eine der großen Autobahnen von und nach Frankfurt, auf der immer etwas los ist.

Am Mainufer befand sich auch schließlich die längst herbeigesehnte Jugendherberge, in der ich rasch meine geschundenen Füße von den Wanderschuhen befreien konnte und mir eine ausgiebige Dusche gönnen durfte. Diesen Feierabend habe ich mir heute redlich verdient!

Ganz klischeehaft präsentieren sich die vielen Wolkenkratzer in der Stadt der Banken.
Aber selbst Frankfurt hat auch hübsche, vorzeigbare Ecken wie hier am Römer.

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