Belgien,  Luxemburg

20. Etappe: Kleinbettingen – Arlon

Gelaufen: 11,7 km (Gesamt: 411,4 km)

Das Wetter meinte es heute gut mit mir. Als ich meinen Tag beginnen wollte, indem ich mit Sack und Pack mit dem Zug von Luxemburg nach Kleinbettingen gefahren bin, wo ich meine gestrigen Etappe beendet hatte, wurde ich bereits von wärmenden Sonnenstrahlen begrüßt. Vor allem, da einige Tage zuvor für diesen Tag Regen und Gewitter angesagt wurde, freute es mich umso mehr, dass der Himmel doch so freundlich wirkte.

Meine letzten Kilometer im schönen Luxemburg bei schönstem Wetter.

Der erste Teil der Etappe führte mich wieder über einige Feldwege und landwirtschaftlich genutzte Straßen, die aber zu so früher Uhrzeit noch wie ausgestorben waren. Wer aber schon da war, waren wieder die vielen neugierigen Kühe, die für mich aus Luxemburg und seiner Landschaft gar nicht mehr wegzudenken waren. Natürlich konnte ich es mir nicht verkneifen, an der ein oder anderen Weide stehen zu bleiben, die Tiere zu streicheln und tiefgründige Gespräche mit ihnen zu führen. Immerhin tat es der Seele gut und trug zu guter Laune bei.

Ich werde wahrscheinlich nie darüber hinweg kommen, wie neugierig Kühe sein können.

Dann verfolgte ich eine Weile einen Feldweg, der an dieser Stelle die Grenze zwischen Luxemburg und Belgien darstellte. Dabei fiel mir auch ein historischer Grenzstein ins Auge. Doch ansonsten ließ wirklich nichts darauf schließen, dass sich genau hier die Grenzen zweier Staaten trafen. Schon verrückt, wenn man bedachte, wie fest definiert Ländergrenzen auf Landkarten waren und wie problematisch diese Gebiete bei nicht gerade wenigen Ländern auf dieser Welt waren. Trotzdem schien es genau hier das irrelevanteste überhaupt zu sein. Sowas bringt mich immer etwas ins Grübeln oder gar zu philosophischen Grundsatzfragen.

Ein historischer Grenzstein von 1843 mit luxemburgischem Wappen steht einsam zwischen den Feldern.

Am Ende des Feldwege gelangte ich schleßlich in den Ort Steinfort, wo es auch einen offiziell bekennzeichneten Grenzübergang gab. Von Steinfort aus gab es leider nur eine Schnellstraße, die direkt nach Arlon führte. Viele kleine Feldwege, die parallel oder irgendwie außen herum verliefen, waren nicht vorhanden. Und schlagartig vermisste ich das dichte Netz an Wander-, Rad- und Feldwegen, mit dem mich Luxemburg die letzten Tage verwöhnt hat.

Etwas zerknautscht, aber eindeutig erkennbar: Hier beginnt Belgien!

Aber immerhin hatten die Belgier die Güte, ihre Schnellstraßen mit breiten Radwegen auszustatten, die mangels Fahrradfahrer auch sehr bequem zu Fuß begehbar waren. So konnte ich zumindest ein gutes Stück an der Straße zurücklegen, ehe ich doch für zumindest zwei Kilometer auf einen kleinen Feldweg ausweichen konnte. Dort traf ich auch wieder Kühe, doch war ich im ersten Moment etwas überrascht, wie extrem sie sich von den luxemburgischen Kühen unterschieden. Während ich im Nachbarland ausschließlich Milchkühe gesehen habe (etwas mager, aber mit gut gefüllten Eutern), stand hier auf dieser belgischen Weide definitiv eine Fleischrind-Rasse. Aber was für eine! Diese Tiere sahen gar nicht aus, als würden sie täglich auf der Weide stehen, sondern eher als würden sie jeden Tag zehn Stunden mit Dwayne Johnson im Fitnessstudio Gewichte drücken. Und der Weidezaun war bestimmt auch nur da, damit die Rinder keine Passanten verprügelten…

Zeitweise hatte ich etwas Glück und es gab neben dem breiten Radweg sogar noch einen in die Jahre gekommenen Fußweg.
Neben diesen belgischen Kühen würden die meisten Bodybuilder abgemagert aussehen.

Mit neuen Grübeleien im Kopf zu Themen wie Fleischindustrie und Viehzucht setzte ich meinen Weg wieder an der Schnellstraße fort bis nach Arlon. Der Weg war nicht besonders spannend oder abwechslungsreich, weshalb sich das Ende wieder unheimlich langgezogen anfühlte, obwohl ich heute ja wirklich nur eine kurze Etappe hatte. Immerhin endlich in Arlon angekommen, gab es links und rechts wieder genug zu gucken, bis ich schließlich meine Unterkunft erreicht habe.

Da das Wetter über den Tag nahezu sommerliche Zustände erreicht hatte, beschloss ich, mir nach meiner Ankunft noch die Stadt anzuschauen. Arlon war in meinen Augen etwas paradox. Einerseits war es eine schöne Stadt, mit sehenswerten Ecken, andererseits war es eine hässliche Stadt, die nichts zu bieten hatte. Wenn man durch die Gassen der Altstadt schlenderte, bekam man den Eindruck, dass Arlon seine besten Zeiten schon hinter sich hatte. Es musste einst eine richtig süße Stadt gewesen sein. Aber heute wirkte sie eher vernachlässigt und ausgestorben. Man sah den vielen Gebäuden ihr Potenzial an, aber gleichzeitig wurde sofort klar, dass sich schon viele Jahre oder gar Jahrzehnte nicht mehr um die Häuser gekümmert wurde. Man hatte fast den Eindruck, als hätten Stadt und Gemeinde sich schon aufgegeben.

Obwohl die Handvoll Kirchen in der Stadt tatsächlich sehr schön waren und eigentlich auch die Altstadt eine interessante Struktur hatte, sind Touristen hier Fehlanzeige. Die einzigen Menschen, die man traf, waren Einheimische, die ihrem Alltagstrott nachgingen. Besucher schien es nicht hierher zu ziehen. Deshalb habe ich auch sehr gemischte Gefühle über Arlon. Es ist zwar schade, dass aus dem, was man hier hat, nichts gemacht wird, aber ich kann auch nachvollziehen, dass Arlon in seiner jetzigen Form weder attraktiver Wohnort noch Touristenmagnet ist.

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert