Deutschland

16. Etappe: Schweich – Trier

Gelaufen: 19,7 km (Gesamt: 327,1 km)

Heute bin ich extra früh losgelaufen, da ich bereits wusste, dass ich heute Nachmittag einige Zeit in Trier brauchen würde, um mir die ganze Stadt anzuschauen. Also machte ich mich in aller Frühe durch das verschlafene Schweich. Es war wieder mal ein Unterschied wie Tag und Nacht. Während gestern konstanter Trubel auf der Straße war und man sich vor lauter Autos gar nicht sicher bewegen konnte, war es heute eine regelrechte Geisterstadt. Vielleicht lag es an der Uhrzeit, vielleicht aber auch daran, dass heute ein Feiertag war. Oder einfach an beidem.

Mit bestem Wetter im Gepäck zog ich los und bereits am Fuß des ersten Berges machte ich eine Entdeckung, die mich zum Lachen brachte: Ein Kilometer-Anzeiger, der verriet, dass es noch 2395 km nach Santiago waren. Schon wieder zig Kilometer mehr als noch vor einigen Tagen. So langsam vermutete ich wirklich, dass die Zahlen für diese Anzeigen ausgewürfelt werden.

Die Entfernungsangaben scheinen weder akkurat noch zuverlässig zu sein. Aber hübsche Handwerkskunst ist dieser Wegpunkt allemal.

Nach diesem guten Witz ging die Reise weiter. Ich erkletterte den ersten Berg, obwohl dieser im Vergleich zu den Bergen der letzten Tage die Bezeichnung gar nicht verdient hätte. Die Steigung war minimal und daher alles andere als anstrengend. Oben wurde man erneut mit einem Blick auf die Mosel belohnt. Über ein paar Wiesen und ein Stück Wald ging es dann wieder einige Höhenmeter bergab und vorbei am Trierer Stadtteil Ehrang. Beim Verlassen des Ortes konnte ich wieder einen Pilger Stempel einsacken und da passierte es: Ich traf zum ersten Mal auf meinem Weg eine andere Jakobspilgerin! Ich hätte wirklich nicht erwartet, dass mir das in Deutschland noch passieren würde.

Zwischen den Bäumen hindurch durfte ich einen Blick auf die Mosel erhaschen.

Und so kam es, dass wir ein Stück des Weges zusammen liefen und uns über den Weg und das Pilgern unterhielten. Doch allzu lange hielt das Gespräch nicht an, denn schon bald folgte der nächste, deutlich steilere Aufstieg und ich habe die andere Pilgerin abgehängt. Das entsprach auch wieder meiner Erfahrung vom letzten Jakobsweg: Man sucht sich seine Weggefährten primär nach Lauftempo aus. Aber ich fand es nicht schlimm, da ich relativ optimistisch war, dass wir uns den Tag über noch das ein oder andere Mal über den Weg laufen würden. So war das nunmal beim Pilgern.

Nach überstandenen Aufstiegen durfte ich mich auch wieder auf den bereits vertrauten Plateaus erholen.

Da ich schon über die Hälfte der Strecke hinter mir hatte, haber immer noch keine Pause gemacht habe, habe ich das auf einem kleinen Wanderer-Parkplatz am Waldrand nachgeholt. Wie immer habe ich die Pause dazu genutzt, die Schuhe auszuziehen und etwas die Füße zu bewegen und dazu einen Happen zu mir zu nehmen. Aber während ich im Schneidersitz auf einem großen Stein saß und fröhlich vor mich hin mampfte, sah ich plötzlich etwas über mein Knie kriechen, was sich bei genauerem hinsehen als Raupe eines Eichenprozessionsspinners heraustellte. Da kam Freude auf.

Ich habe es geschafft, sie ohne Berührung abzuschütteln und ein Blick nach oben hat bestätigt, dass ich unter einer riesigen Eiche saß. Da ich aber noch nie mit diesen Tierchen konfrontiert wurde, wusste ich noch nicht, wie oder ob überhaupt ich darauf reagieren würde. Die Pausenlaune hat es mir allemal ausgetrieben, sodass ich schnell wieder in meine Schuhe geschlüpft und weitergewandert bin. (Die andere Pilgerin hatte mich in meiner Pause längst wieder überholt.)

Es ist nicht immer die beste Idee, seine Pausen unter riesigen Eichen einzulegen. (Wimmelbild-Suche: Wie viele Schuhe befinden sich auf diesem Foto?)

Auf dem nächsten Hügel wartete bereits ein Gipfelkreuz mit Aussicht über das Moseltal. Hübsch anzuschauen, aber was hier am ehesten auffiel: Es wurden immer mehr und mehr Wanderer auf dem Weg. Während mir anfangs nur vereinzelt Leute entgegen kamen, traf ich zu diesem Zeitpunkt bereits alle fünf bis zehn Minuten andere Menschen.

Ein großes Kreuz blickt ins Moseltal hinab.

Als ich endlich wieder zum Abstieg kam, war ich alles andere als begeistert. Der Weg war sehr steil mit teilweise sehr hohen, unregelmäßigen Stufen. Bestimmt auch eine Freude für kerngesunde Knie. Meine Knie sind auf diesen Treppen bestimmt wieder in eine depressive Episode verfallen und haben den Sinn ihrer Existenz hinterfragt. Der einzige Gedanke, der mich dabei bei Laune hielt war, dass nach diesem Abstieg die Höhenmeter geschafft wären. Danach sollte der Weg nach meinem Kartenmaterial nur noch eben am Ufer der Mosel verlaufen.

Der unangenehme Abstieg machte beim Laufen auch noch den Eindruck, als würde er nie enden wollen.

Doch die Muscheln hatten andere Pläne für mich. Da ich immer weiter der Beschilderung gefolgt bin, fand ich mich schließlich auf einem neuen Anstieg wieder. Und in Gedanken versunken habe ich auch viel zu spät erst die Abweichung bemerkt. Da ich aber darauf vertraut habe, dass die Muscheln mich schon ans Ziel bringen, bin ich einfach weitergelaufen. Aber auf das, was kam war ich mental nicht vorbereitet gewesen.

Der Jakobsweg führte hier über den sogenannten Felsenweg und er war so angenehm, wie er klang. Sowohl physisch als auch psychisch. Entlang and wunderschönen roten Sandsteinfelsen ging der Weg immer wieder in extremster Steigung hoch und runter, hoch und runter, und immer so weiter. Das hätte mir an Anstrengung schon gereicht. Aber mittlerweile waren die anderen Wanderer keine einzelnen Begegnungen mehr – es war ein konstanter Menschenstrom, der mir entgegen kam. Und wo es anfänglich noch Wanderer, Jogger oder Hundebesitzer waren, kamen nun immer mehr lärmende und betrunkene Vatertags-Züge und Junggesell*innen-Abschiede dazu. Obwohl man mitten in der Natur im Wald war, war es überall laut und voll, Menschen haben gegröhlt und stets war laute Musik aus Handy-Lautsprechern und portablen Boxen zu hören. Alter Schwede, ist mir das auf den Keks gegangen!

Der Felsenweg führte konstant über leuchtend rote Sandsteinklippen.
Trotz allen Unannehmlichkeiten hatte ich vom Felsenweg aus immer wieder einen beeindruckenden Ausblick über Trier.

Umso erfreut er war ich, als ich diesen Abschnitt wieder hinter mir lassen konnte. Schade eigentlich, denn unter anderen Umständen wäre der Pfad bestimmt schön gewesen. Aber anscheinend habe ich auf dem Felsenweg wieder die andere Pilgerin überholt, denn nun holte sie mich erneut ein und zusammen liefen wir das Reststück bis nach Trier. Dazu überquerten wir die Mosel auf der Kaiser-Wilhelm-Brücke und folgten den Muscheln noch eine Weile durch die Stadt.

Schließlich landeten wir vor der Porta Nigra, wo wir uns verabschiedeten, da sie schnell weiter wollte. Ich wollte aber erstmal dieses antike Tor auf mich wirken lassen, da es mich auf ersten Blick total von den Socken gehauen hat. Ich habe zwar schon davon gehört und auch Bilder gesehen, aber ich hätte nie gedacht, dass die Porta Nigra so riesig und gewaltig ist.

Ich schritt durch die Porta Nigra und folgte weiter den Muscheln durch die wunderschöne Altstadt, bis ich schließlich vor dem Trierer Dom stand. Auch dieses Gebäude hat mir auf ersten Blick total die Sprache verschlagen, so hübsch und beeindruckend fand ich es. Umso enttäuschter war ich allerdings, als ich den Dom betrat. Auch hier war es überfüllt und laut und es wurden in der Kirche sogar Durchsagen über Lautsprecher gemacht über anstehende Veranstaltungen. Gotteshäuser sind für mich normalerweise Orte der Ruhe. Orte, an denen man auch mal in sich gehen und nachdenken kann. Der Trierer Dom wirkte aber eher, als hätte man die Fußgängerzone von draußen einfach nach drinnen gelegt. Sehr schade.

Nachdem ich mir trotzdem noch meinen Stempel am Dom abgeholt habe, habe ich mich rasch auf meinem Hotelzimmer frisch gemacht und mir dann noch einen ausgiebigen Stadtbummel gegönnt. Das Wetter war warm und sonnig und Trier ist eine sehr interessante und sehenswerte Stadt. Ich konnte heute auch nur maximal die Oberfläche ankratzen und werde definitiv für einen Städte-Urlaub nochmal zurückkommen müssen, um auch wirklich alles Sehenswürdige ausgiebig entdecken zu können.

Ein Kommentar

  • Thomas

    Ja, Trier ist wirklich sehr schön. Hattest auch tolles Wetter. Der Felsenweg sieht wirklich spannend aus. Aber nicht mit so vielen Grölern🙄. Ich hasse es auch wenn zu viele Menschen um einen herum sind. 😬

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