Deutschland

12. Etappe: Bullay – Traben-Trarbach

Gelaufen: 24,2 km (Gesamt: 258,9 km)

Heute Morgen wurde ich vor allem von Kälte und dichtem, dichtem Nebel begrüßt. Nachdem mich Kathi ein letztes Mal abgesetzt hat und wir einen herzlichen Abschied hatten, begann ich meine Etappe, indem ich Bullay über die Doppelstockbrücke verließ und das andere Moselufer ansteuerte. Beim Überqueren der Brücke wurde mir nochmal vor Augen geführt, wie neblig es tatsächlich war: Man sah kontinuierlich frischen Nebel vom Fluss aufsteigen, während die sonst so beeindruckenden Berge im grauen Dunst verschwunden sind.

Die interessante Doppelstockbrücke von Bullay, wo auf der unteren Etage Fußgänger und Autos die Mosel überqueren können, während auf der oberen Etage Züge vorbeirauschen.
Die hohen Gipfel der Berge waren bei diesem Nebel gar nicht mehr auszumachen.

Am anderen Ufer angelangt führten mich die gelben Muscheln auf eine Anhöhe und ich hatte eigentlich gehofft, dass auf den Bergen die Sicht aufklaren würde. Aber Pustekuchen. Selbst als ich die Marienburg auf ihrem Gipfelchen passierte, war die Sichtweite ähnlich wie in Milch. Also konnte ich nach dem ersten Aufstieg noch nicht einmal den Ausblick genießen.

Der wundervolle Ausblick von der Marienburg aus. Ist das nicht schön?

Durch die Weinberge stieg ich wieder hinab und da sich währenddessen der Nebel etwas gehoben hatte, realisierte ich erst in dem Moment die ulkige Situation, dass ich auf beiden Seiten meines Pfades die Mosel sehen konnte. So falsch es im ersten Augenblick auch aussah, bestätigte ein Blick auf die Karte, dass ich mich geradewegs durch eine Flussschleife bewegte.

Sobald ich unter dem Nebel hindurchschauen konnte, zeigte sich plötzlich auf beiden Seiten Wasser.

Doch so dicht und hartnäckig der Nebel heute morgen noch war, desto schneller verflüchtigte er sich nun, während ich weiter nach Zell hinabstieg. Unten am Ufer angekommen strahlte bereits die Sonne und nur die letzten Nebelschwaden, die noch wie eine Bettdecke auf den Bergen lagen, erinnerten überhaupt an die extremen Sichtverhältnisse, die ich noch eine Stunde zuvor erleben durfte.

Während sich langsam die Sonne breit machte, waren die Berghänge noch wie in Watte verpackt.

Über eine Fußgängerbrücke überquerte ich die Mosel und nutzte Zell für ein Päuschen inklusive Frühstück. Allerdings merkte man dabei auch schnell, dass Sonntag und Muttertag war, denn der Andrang auf die Bäckereien und Cafés der Ortschaft waren der Wahnsinn. Da konnte ich von Glück sprechen, dass ich noch meinen Magen gestopft bekommen habe. Aber so war ich zumindest gestärkt für den folgenden Anstieg, der sich als sehr gemein und steil entpuppte. Also lautete die Devise wieder: Augen zu und durch. Immer unbeirrt weiterstapfen. Und immerhin wartete oben bereits eine atemberaubende Aussicht auf mich.

Von dieser Seite konnte ich die komplette Schleife sehen, über die ich heute Morgen gekommen war.

Aber so schön der Aussichtspunkt auch war – der Aufstieg war noch nicht beendet. Ich hatte noch etliche Höhenmeter vor mir und ich hatte die Rechnung ohne das Senioren-Pärchen gemacht, die ich am Aussichtspunkt überholt hatte. Während ich also tapfer den Berg hinaufstapfte, bemerkte ich, dass auch besagtes Paar den Aufstieg fortgesetzt hatte. Und je mehr Zeit verging, desto kleiner wurde der Abstand und desto mehr saßen mir die anderen Wanderer im Nacken. Ich wollte mir natürlich nichts anmerken lassen, so als vermeintliches “junges Gemüse”, aber ich war schon ziemlich an meinen körperlichen Grenzen. Da der Pfad aber zu schmal war, um aneinander vorbeizulaufen, bin ich zur Seite getreten und habe vorgegeben, etwas in meiner Tasche zu suchen, damit die Senioren mich überholen konnten. Sie haben mich passiert, ich bin nach ihnen auch wieder auf den Pfad getreten, um weiterzulaufen, doch keine 50 Meter weiter trat auch das Paar an die Seite und bestand darauf, mich vorbeizulassen. Ich wollte ablehnen, aber das war anscheinend keine Option. Und so begann die Verfolgungsjagd erneut.

Wir hatten zwar bei den Überholmanövern einige Worte gewechselt und kamen zwischendurch auch auf meinen Jakobsweg zu sprechen, aber das änderte nichts daran, dass diese zwei mich vollkommen fertig machten. Es war ja bestimmt nett gemeint gewesen, aber mein Puls machte mittlerweile sogar dem eines Kolibris Konkurrenz. Und so zog ich die Reißleine, eroberte die nächste Sitzbank für mich und machte wirklich ausgiebig Pause. Ich bemühte mich, dem Pärchen wirklich so viel Vorsprung zu lassen, dass mich nicht schon wieder so eine Hetzjagd ereilen würde.

Der schmale Bergpfad ließ leider nur einen Gänsemarsch zu.

Etliche Minuten später raffte ich mich wieder auf und legte die restlichen Höhenmeter in meinem Tempo und mit meiner Pausenfrequenz zurück, bis ich den Aussichtspunkt “Schöne Aussicht” erreichte. (Ja, bei der Namensgebung hat ein richtig kreativer Kopf seiner Fantasie freien Lauf gelassen.) Doch hier sollte schon das nächste Problem lauern.

Naiv wie ich war, bin ich einfach weiter den Muscheln gefolgt. Aber irgendwie kam es mir beim Laufen komisch vor. Es waren keine weiteren Wegmarkierungen mehr aufgetaucht und auch der Weg wirkte immer verwachsener. Ein Blick auf das GPS verriet mir auch, dass ich vollkommen abseits der eigentlichen Route war. Aber wie war das möglich? Ich bin den ganzen Weg wieder zurück gelaufen und am Aussichtspunkt konnte ich nur mit viel Kooperation mit meinen Karten und meinem GPS feststellen: Die Wegbeschilderung hing falsch. Aber es gab noch eine zweite (verstecktere) Muschel, die den richtigen Weg angab.

Also an alle, die selbst diese Etappe laufen möchten:

ACHTUNG! Falsche Beschilderung am Aussichtspunkt “Schöne Aussicht”!
Die Muschel, die geradeaus auf den Weg bergab deutet, zeigt euch die falsche Richtung an! Achtet stattdessen auf die Muschel, in den Bäumen (Nistkasten) auf einen Pfad zeigt, der links den Berg hoch geht (richtige Richtung)!

Nach einem anstrengenden Anstieg, der sich heute wie eine Ewigkeit angefühlt hat, erwartete mich auf dem Gipfel ein bisschen schattiger Wald, der aber durch den Regen der letzten Tage zur Schlammschlacht geworden ist. Und wieder war ich überglücklich über meine Wanderstöcke. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, wie oft ich ohne den Halt der Stöcke ausgerutscht wäre. Aber auch diese Wattwanderung hatte irgendwann ein Ende und ich wurde noch einmal mit einer schönen Aussicht belohnt, bevor es wieder an einen viel zu steilen und steinigen Abstieg nach Enkirch ging.

Der Regen hat den kompletten Waldboden aufgeweicht und in Sumpfland verwandelt.
Ein sehr angenehmes, sonniges Pausenplätzchen, wenn da nicht schon das Bangen um den bevorstehenden Abstieg wäre.

Den Abstieg nach Enkirch – zunächst durch den Wald, dann durch Weinberge – habe ich mehr schlecht als Recht hinter mich gebracht. Bereits während des gewaltvollen Aufstiegs auf den Berg hat mein linkes Knie angefangen zu schmerzen und zu blockieren und der Abstieg hat das definitiv nicht verbessert. Deshalb habe ich ab Enkirch wieder eine Alternativroute gewählt, da ich mich sonst noch einen Berg hätte hochquälen müssen.

Die niedliche, kleine Personenfähre von Enkirch hat mir eine Alternative zum Berg ermöglicht.

In Enkirch konnte ich eine kleine Personenfähre über die Mosel nehmen, die mich nur 100 Meter weiter in Kövenig abgesetzt hat. Von dort aus bin ich gemütlich und ebenerdig an der Moselpromenade entlanggepilgert, bis ich direkt nach Traben-Trarbach reinlief. Das Wetter war mittlerweile hochsommerlich und als ich schließlich über eine Brücke erneut die Mosel überquert habe, kam ich in die überfüllte Altstadt. Ich trat zunächst durch das Trarbacher Brückentor, schlenderte dann durch die malerischen Gässchen und lief schließlich den letzten Kilometer in meine Unterkunft, wo sich meine geschafften Knie auch erholen durften.

Das Brückentor Trarbach markierte den Zugang zur Altstadt.

2 Kommentare

  • Thomas

    Wirklich wieder schöne Ausblicke. Der viele Matsch macht es ja schon ganz schön schwer.
    Also ich kann es auch nicht haben wenn als einer hinter mir her Dackel.
    Da werd ich dann immer schneller um in los zu werden 😅

    • Eva

      Nur wenn die hinter einem dann doch zu sportlich sind, kann man einfach nicht mehr schneller… Ändert nichts daran, dass es mich etwas am Ego kratzt, wenn ich kapitulieren muss 😀

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